So wird die Wende in Ost und West gesehen
Gymnasiasten aus Döbeln und Unna haben sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen genähert. Auch der Döbelner Denkmal-Streit wird erzählt
Junge Leute aus einer Generation, die noch nicht geboren war, als die Mauer fiel, haben sich jetzt mit dem Thema Mauerfall und Deutsche Einheit beschäftigt. Genauer Schüler des Lessing-Gymnasiums Döbeln und des Geschwister-Scholl-Gymnasiums der Partnerstadt Unna. Die beiden Schulen arbeiten schon immer zusammen, aber in der Regel bei naturwissenschaftlichen Projekten. Dass es diesmal auf der geisteswissenschaftlichen Ebene passierte, findet Schulleiter Michael Höhme gut.
Angeschoben habe das Projekt vor einem Jahr der Runde Tisch gegen Gewalt und Rassismus der Stadt Unna, sagte Höhme. In Döbeln machten sich die Elftklässler des Geschichts-Leistungskurses ans Werk und in Unna eine neunte Klasse. Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Ergebnisse, die in der vergangenen Woche in Unna bei einer Veranstaltung präsentiert wurden.
Wie denken Ost- und Westdeutsche über die Wende und die Einheit? Die Unnaer Schüler befragten zu dem Thema aus westlicher Sicht Menschen aus Unna. Die Döbelner Elftklässler haben ihre Beiträge zu einen Streifen von fast Spielfilmlänge zusammengefasst. Sie schildern als Nachgeborene die Vorgänge in Döbeln zur Zeit der Wende, die Umbrüche auch auf ökonomischem Gebiet, als die Industrie in Döbeln zusammenbrach.
Und sie haben die Sängerin Susanne Engelhardt befragt, die die turbulente Zeit aus Sicht des Theaters beschreibt, die sich daraus ergebenden Probleme und die Umstrukturierung der Kulturlandschaft. Der Landkreis Döbeln als Träger hatte das Theater nach der Wende geschlossen, es wurde als neu gegründetes Mittelsächsisches Theater Freiberg-Döbeln wiedererweckt.
Eines der aufgegriffenen Themen betrifft das Lessing-Gymnasium direkt. 1994 hatte der Traditions- und Förderverein unter dem Einfluss von Mitgliedern, die die DDR aus politischen Gründen verlassen mussten, einen Gedenkstein für die Schüler und Lehrer aufstellen lassen, die Opfer von Krieg, Unrecht und Willkür wurden. Diskussionen gab es um die Jahreszahl: 1933 bis 1989.
Ein Kritiker sah darin die unzulässige Gleichsetzung von NS-Staat und DDR. Er übermalte und überklebte die Jahreszahlen wiederholt. Er wurde 2010 vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der Fall erregt deutschlandweit Aufsehen. Der damalige Schulleiter Matthias Müller habe „zentnerweise" Briefe bekommen, die alle aufgehoben wurden, sagte Höhme. Fast 20 Jahre nachdem das Denkmal aufgestellt wurde, hatten sich auch die Einstellungen des Fördervereins geändert. Die Mitglieder beschlossen 2010, dass die Jahreszahlen entfernt werden. Heute, so Höhme, würde eine solche Inschrift auch von den Schülern nicht mehr akzeptiert.
Der Geschichts-Leistungskurs unter der Tutorin Katrin Niekrawietz hatten sich in der Vergangenheit schon Themen wie den Döbelner Denkmälern und Ereignissen im Zweiten Weltkrieg gewidmet und diese in öffentlichen Vorträgen vorgestellt. Auch für das Wende-Projekt kann sich Schulleiter Micheal Höhme eine Veranstaltung im Döbelner Rathaus vorstellen.
Döbelner Anzeiger
Jens Hoyer
11.11.2021
Joe
Unna ist zwar unsere Partnerstadt im Westen, trotzdem konnte ich mir nichts darunter vorstellen. In den drei Tagen in unserer Partnerstadt haben wir diese kennengelernt, sind mit einigen Leuten ins Gespräch gekommen und haben unsere Erkenntnisse über die Wendezeit präsentiert. Auch im Unterricht unserer Partnerschule nahmen wir teil. Dies war sehr interessant, da wir einen neuen Einblick in eine andere Schule mit anderen Lehrern, anderen Lehrplänen und unterschiedlichen Schwerpunkten bekommen haben. Ich fand es unter anderem auch sehr beeindruckend, dass zwei Schulen in einem Gebäude untergebracht waren. Resümierend haben wir eine schöne Zeit gehabt und eine tolle Stadt mit tollen Bürgern erlebt.
Lilly
Es war sehr interessant, ganz neue Leute kennenzulernen. Besonders inspirierend waren dabei die vielen verschiedenen Geschehnisse und Erlebnisse rund um die Wendezeit, welche zwar sehr unterschiedlich, aber dennoch ein Stück weit ähnlich waren. Außerdem war es sehr beeindruckend zu beobachten, wie verschieden das „Ost-West- Denken“ in den Köpfen verschiedener Generationen ausgeprägt ist.
Adriana
Faszinierend war nicht nur die beeindruckende Architektur von Unna oder der gelungene Abschluss unseres bemerkenswerten Projektes, sondern auch die schöne Zusammenarbeit als Team zwischen unserem Geschichtsleistungskurs und unseren Lehrern, welche uns mit der Reise nach Unna eine Besonderheit in unserem Schulalltag ermöglichten.
Cara
Die Präsentation unserer Arbeitsergebnisse vor Ort stellte eine grandiose Austauschmöglichkeit dar, welche hinter der typischen Schlagzeilenhysterie das freilegte, was uns schlussendlich alle verbindet: Menschlichkeit.
Wir fanden uns wieder in einer spannenden thematischen Auseinandersetzung, welche mit vergangener bzw. aktueller Historie und gesellschaftlichen Normen eng verknüpft war. Zwischen Dialogen und Diskussionen durften wir großartig erzählten Geschichten lauschen, die eine authentische und berührendende Atmosphäre erzeugten.
Das aufschlussreiche Demokratieprojekt in Zusammenarbeit mit unserer Partnerstadt Unna ließ die Zuhörerschaft eintauchen in eine Zeit von Aufbruch und Orientierungslosigkeit und einem Diskurs, der lang überfällig ist!