Als 13. Schule in Sachsen hatte es das Lessing-Gymnasium in das Antirassimus-Netzwerk geschafft. Die Aktivisten von damals sind heute gestandene Leute, das Projekt hat bis jetzt überlebt.
Katharina Gelbrich ist mit 36 Jahren Professorin für Wirtschaftsrecht an der HTWK Leipzig. Robin Schenk arbeitet als freischaffender Innenarchitekt in Leipzig. So oft sehen sich die beiden nicht, und so geriet die Feierstunde im Gymnasium zu einer Art inoffiziellem Klassentreffen. Vor 20 Jahren gehörten die beiden zu der Gruppe von Schülern, die das Gymnasium in das bundesweite Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ brachte. Die Mehrzahl der Gymnasiasten hatte sich damals per Unterschrift verpflichtet, gegen Rassismus aufzutreten. Das Gymnasium in Döbeln sei die 176. Schule in Deutschland und die 13. In Sachsen gewesen, die sich die markante Tafel des Netzwerks an die Fassade schrauben konnte, so Schulleiter Michael Höhme.
Das Schild wurde ein Jahr später gestohlen. Das neue hängt jetzt diebstahlsicher im Foyer der Schule. Und die Selbstverpflichtung von damals halte über Generationen von Schülern bis heute, so Michael Höhme. „Das hat etwas mit dem Schulklima gemacht. Damals wurden Werte etabliert, die weiter getragen wurden. In unserer Schule gibt es auch Konflikte. Aber bei uns ist es kein Problem, wenn sich ein Schüler offen zu seiner Homosexualität bekennt. Wir haben an unserer Schule auch zwei Vorbereitungsklassen mit 55 Schülern aus vielen Ländern. Diese Schüler müssen keine Angst haben, ausgegrenzt zu werden“, so Höhme.
Das Projekt sei auch ein gutes Beispiel dafür, dass Schulentwicklung nicht nur eine Aufgabe der Lehrer ist, sondern auch der Schüler.
Katharina Gelbrich berichtete, wie alles anfing. Sie war von Torsten Fischäder, der sich in der Flüchtlingsarbeit engagierte, auf das Projekt aufmerksam gemacht geworden. „Ich bin in die Lehrerkonferenz eingeladen worden, um das vorzustellen.“ Verlassen hatte sie die Versammlung dann in Tränen aufgelöst. Michael Höhme erinnert sich noch an den Vorfall. Es seien aus der Lehrerschaft sehr konkrete Fragen zur Umsetzbarkeit gekommen, die wohl auch eine gewisse Skepsis spüren ließen. „Das hat sie emotional überfordert. Das tat mir leid, deshalb habe ich sie danach angerufen“, so Höhme. Der Schulleiter erklärt die Skepsis unter der Lehrerschaft gegen ein Projekt, das gesellschaftlich und politisch wirken sollte, mit den Lehren aus der Wende 1989. „Die politische Indoktrination solle raus aus den Schulen. Es leuchtete ein, die Schule als politisch neutralen Ort zu sehen.“
Nach einer musikalischen Eröffnung durch Ben Zschiesche am Saxophon und einer kurzen Festrede des Schulleiters erinnerten Katharina Gelbrich und Robin Schenk an die Gründung der Gruppe. Emilia Loschinski gab im Anschluss Einblicke in 20 Jahre SoRSmC und stellte unterschiedliche Aktivitäten vor. Die ca. 50 Gäste der Veranstaltung, unter ihnen auch Oberbürgermeister Sven Liebhauser, würdigten die Arbeit der Projektgruppe durch ihre Anwesenheit und stießen gemeinsam mit der aktuellen Projektleiterin auf das runde Jubiläum an. Im Anschluss nutzten viele Gäste die Möglichkeit, den Poetry-Slam-Abend in der Aula zu besuchen. (Fotos: LGD)
Es hatte dann doch mit der Aufnahme in das Projekt geklappt. Der bekannte Journalist Günter Wallraff hatte seinerzeit als „Pate“ die Schüler unterstützt. Weil der sich aber nicht mehr zurückmeldet, hat sich die Schule einen anderen Paten gesucht. Matthias Brauneis ist Döbelner und Vorsitzender des Vereins Treibhaus.
Geleitet wird die Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus“ am Lessing-Gymnasium von Emilia Loschinski, die eigentlich Mathe-Chemie auf Lehramt studiert und sich außerdem im Gymnasium engagiert. Die Mitglieder der Gruppe organisieren Veranstaltungen, auch um Geld einzusammeln für andere Aktionen wie den Spiel- und Kochnachmittag für Kinder oder für die Geschenkaktion „Weihnachten im Schuhkarton“. Sie stehen auf Mahnwache an den „Stolpersteinen“ für ermordete Juden in der Stadt. „Wir haben auch schon Müll gesammelt und Bäume gepflanzt“, sagt Loschinski. Geplant seien einschlägige Workshops für jüngere Schüler. „Um besonders früh zu beginnen. Bisher haben wir das ab der 8. Klasse angeboten.“
Döbelner Anzeiger
Jens Hoyer
28.10.2023