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24.11. Schatzsuche unterm künftigen Erdbeerdorf

Die Geschichts-AG des Döbelner Gymnasiums stattet dem archäologischen Grabungsteam an der B 169 einen Besuch ab.

Es ist ein Schatz, dieses große Feld, unter dessen Erdschichten sich tausende Jahre alte Geschichte verbirgt. Eigentlich bräuchten sie etwas mehr Zeit, sagt Thomas Lukas, denn in der Größe und Erhaltung sei der Fund schon ziemlich einmalig. Thomas Lukas leitet die archäologischen Grabungen auf den Flächen zwischen Autotobahn A14, Bundesstraße 169 und dem Döbelner Ortsteil Gärtitz. Dort, wo in nicht allzu ferner Zeit Robert Dahl den Döbelner Karls Erlebnisdorf eröffnen möchte. Bevor mit den Bauarbeiten begonnen werden kann, muss gegraben werden. Denn vor reichlich einem Jahr haben Archäologen auf dem Gelände Hinweise darauf gefunden, dass dort wahrscheinlich schon vor 5000 bis 7000 Jahren Menschen in einer dorfähnlichen Kultur gelebt haben.

Seit Mitte Oktober laufen nun die Ausgrabungen. Grundsätzlich sollen die neolithischen Siedlungsfunde einfach als Denkmal im Boden bleiben. Doch es gibt Stellen, an denen für den Karls-Bau tiefer gebaggert werden muss und sie zerstört würden. An drei Stellen soll also aus dem Boden geholt werden, was sich darin befindet. Es sind die Stellen, an denen Hauptgebäude, die Straßenanbindung, das Regenrückhaltebecken entstehen. Rettungsgrabung nennt sich das, erklärt die Gebietsreferentin beim Landesamt für Archäologie, Saskia Kretschmer, an diesem sonnigen Mittwochnachmittag vier Siebtklässlern der Geschichts-AG des Döbelner Gymnasiums. Mit ihrer Lehrerin Kathrin Niekrawitz sind die auf das Feld gekommen, um sich eine archäologische Grabung mal live anzuschauen.

Seit zwei Jahren lauern die Gymnasiasten darauf. Die Umstände nicht nur an diesem Mittwoch sind alles andere als optimal, auch für das insgesamt zehn Leute große Grabungsteam. Wenn es kälter als minus zehn Grad wird, geht nichts mehr. Ansonsten wird gefrorener Boden auch abgehackt. Doch jetzt hat es getaut, der Boden hat sich in eine Schlammwüste verwandelt. Selbst mit Gummistiefeln wird der Besuch der Ausgrabungsstellen zur Herausforderung.

Auf Besuch an der Grabungsstätte: Döbelner Gymnasiasten können zuschauen, wie eine tausende Jahre alte Steinsetzung freigelegt wird, wo später mal das Hauptgebäude für Karls Erlebnisdorf stehen wird. Fotos: Sven Bartsch

Und doch lohnt es sich für die vier Jungs, die sich voller Neugierde erzählen und zeigen lassen, was schon aus dem Boden geholt wurde und was aktuell freigelegt wird. Vor mehr als 7000 Jahren haben sich Siedler in der Gegend niedergelassen und Spuren hinterlassen. Unzählige Häusergrundrisse sind nachweisbar, nicht nur aus der Jungsteinzeit, sondern auch jüngeren Datums. Saskia Kretschmer zeigt den Jungs die Pfostengruben, die irgendwann mal für die Häuser gegraben wurden. Auch eine andere, größere Grube ist durch einen Schnitt ins Erdreich sichtbar geworden. Wofür die gewesen sein mag? „Vielleicht war das mal eine Vorratskammer oder sie ist entstanden, als man Material zum Hausbau brauchte.“ Jede Menge Linienbandkeramik ist schon gefunden worden. Fachleute können aus diesen Keramikscherben anhand des Dekors auf das Alter der Fundstücke schließen. Nach der Form der Gefäße und ihren Verzierungen unterscheidet man verschiedene Kulturen in der Jungsteinzeit. Die Bandkeramik mit den typischen spiralförmig in den noch ungebrannten Ton geritzten Linien ist eine der ältesten.

Ganz frisch freigelegt wird gerade eine Steinsetzung. „Es könnte sich um einen Ofen handeln, aber das wissen wir noch nicht“, sagt Thomas Lukas. Er zeigt den Jungs am Ende des Besuchs auch noch Teile von Werkzeugen aus Stein, die bereits gefunden wurden. Wie alles andere, was aus dem Boden geborgen wird, werden sie getrocknet, gesäubert, bezeichnet, archiviert. Das meiste kommt ins Depot. Im besten Fall dient es dann jemandem als Grundlage für eine Forschungsarbeit.

Döbelner Allgemeine Zeitung
Manuela Engelmann-Bunk
24.11.2022


Steinzeithäuser unter Karls Erlebnis-Dorf

Die Archäologen graben derzeit unter Hochdruck auf der Fläche an der B 169. Das fanden auch ein paar Döbelner Gymnasiasten interessant.

Seit Oktober ist der Acker neben der B169, auf dem Karls Erlebnis-Dorf gebaut werden soll, wieder Tummelplatz für die Archäologen. Nach den großflächigen Sondierungen geht es jetzt in die Tiefe. Nämlich an den Stellen, an denen für den Bau das Erdreich ausgehoben werden muss. „Das ist eine Rettungsgrabung“, sagt Saskia Kretschmer, Gebietsreferentin beim Archäologischen Landesamt, als sie am Mittwochnachmittag vier Jungs der siebten Klasse des Lessing-Gymnasiums über die Fläche führte. Sie gehören zur Arbeitsgemeinschaft Geschichte und waren mit ihrer Lehrerin Katrin Niekrawietz zu Besuch auf der Ausgrabungsfläche.

Saskia Kretschmer, Gebietsreferentin beim Archäologischen Landesamt, führt die Döbelner Schüler über das Ausgrabungsfeld und findet dabei wissbegierige Zuhörer. Foto: Lutz Weidler

Zehn Mitarbeiter unter dem Ausgrabungsleiter Thomas Lukas legen gerade akribisch die zu bebauenden Flächen frei. Dort, wo sie gerade graben, hatte einmal ein Langhaus der Steinzeitmenschen gestanden. Saskia Kretschmer hat ein paar Bilder dabei, die sie den Schülern zeigt. So könnten die Häuser ausgesehen haben.
Die Wohnbauten hatten stattliche Ausmaße. Ob dort die Menschen mit den Tieren unter einem Dach lebten, darüber können die Fachleute nur spekulieren. Wie die Häuser über der Erde beschaffen waren, das wissen die Archäologen nicht. Sie finden nur die Löcher der Pfosten, mit denen die Häuser gebaut wurden. Das ist kein Fund, sondern ein Befund, erklärt die Archäologin. Holz hält sich in der Erde nicht. Nur, wenn es durch Wasser von der Luft abgeschlossen wird. „In Brunnen gibt es noch Holz aus der Zeit. Im Leipziger Raum wurden welche gefunden.“

Das sind einige noch ungewaschene Funde: ein kleines und ein großes Steinbeil und eine Keramikscherbe, die die typischen Stichbandmuster der Steinzeit aufweist. Foto: Jens Hoyer

Die Zeit, das ist die Jungsteinzeit. Weil es keine Schriftquellen gibt, hat man die Kulturen aushilfsweise nach der Keramik benannt, die die Archäologen ausgraben. Auf der Karls-Fläche finden sie Scherben mit den Verzierungen der Stichband- und Linienbandkeramiker. Ausgrabungsleiter Lukas schwärmt: „Diese Fundstelle ist ein Schatz mit diesem Umfang und der Erhaltung.“ Er zeigt den Schülern eine Keramik, die die Ausgräber gerade aus dem Boden geholt haben. Und er muss lächeln über die Frage eines Jungen: „Was ist die wert?“ Die Funde werden gewaschen und wandern ins Depot, wo sie als Grundlage für die Forschung und für Facharbeiten dienen.
Der Siedlungsplatz in der Nähe des Gärtitzbaches war offenbar beliebt. Schon die Jäger und Sammler der Altsteinzeit schlugen hier ihre Lager auf. Die Archäologen sehen anhand der Befunde, dass nicht nur eine Generation Jungsteinzeitler auf dem Areal gelebt haben, sondern es vielleicht mehrere hundert Jahre besiedelt wurde.
Es gibt mehrere Hausgrundrisse, die sich zum Teil überlagern. Alte Häuser waren vielleicht abgerissen und darüber neue gebaut worden, erklärt Saskia Kretschmer den Jungen. Dazwischen gab es Gruben, die verschiedenen Zwecken gedient haben können und die jetzt ausgegraben werden.
Alles, was Stein ist, ist durch den Menschen in den Lößlehm gekommen, erklärte der Grabungsleiter. In den vergangenen Tagen sind die Ausgräber auf eine Steinpackung inmitten eines Hausgrundrisses gestoßen. Vielleicht entpuppt es sich als Feuerstelle der ehemaligen Hausbewohner.
Thomas Lukas zeigt den Schüler zum Abschluss noch einige Funde. „Was könnte das sein?“, fragt er und hält einen länglichen glatt polierten Gegenstand hoch: „Die Patrone von einem Panzer“, ruft einer der Jungen. Nein, es ist ein Steinbeil, erklärt der Archäologe. Nachdem die Spitze abgebrochen war, haben es die Menschen noch als Hammer benutzt. Ein kleineres Steinbeil lässt Lukas herumgehen. „Seid vorsichtig, das ist immer noch scharf“, rät er. Auch die Kerne von Feuersteinknollen finden die Ausgräber und Feuersteinklingen, die davon abgeschlagen wurden. Außerdem Scherben und die Bruchstücke von Mahlsteinen.
Im Winter zu graben, sei nicht schön, sagte Saskia Kretschmer. Aber im Februar müssen die Ausgrabungen auf den ersten Abschnitten abgeschlossen sein, weil dann die Bauarbeiten beginnen. Noch an zwei weiteren Stellen werden die Ausgräber tätig: Im Bereich der Verkehrsanbindung und im Areal eines etwa ein Hektar großen Regenrückhaltebeckens. Einige Stellen, an denen es keine Siedlungsspuren gibt, wurden schon freigegeben. An anderen wird Erdreich aufgeschüttet, sodass keine Ausgrabungen notwendig sind.

Döbelner Anzeiger
Jens Hoyer
25.11.2022