11.11. Interessante Fundstücke
Eine Art Abizeitung aus dem Jahr 1909, ein Schiller-Programm aus dem Jahr 1905, zwei Mitgliedsausweise für den Deutschen Flottenverein aus den Jahren 1906 und 1908 sowie ein Foto aus den 1920er Jahren geben Auskunft über die Schulgeschichte.
Immer mal wieder werden im Internet Dokumente und Fotos aus der nunmehr 155-jährigen Geschichte der Schule angeboten. So sie erschwinglich sind, ersteigern wir sie für das Archiv des Traditions- und Fördervereins. Hier werden sie nicht nur abgelegt, sondern immer wieder auch für Publikationen zur Schulgeschichte herangezogen.
So entstand 2020 nach dem Ankauf von Dokumenten zur Berufung des Oberlehrers Johannes Hertel an das Realgymnasium Döbeln aus den Jahren 1901 und 1902 der Artikel „Indische Weisheiten für Döbelner Pennäler“. Hertel (1872–1955) hatte von 1919 bis 1937 als ordentlicher Professor den Lehrstuhl der Indologie an der Universität Leipzig inne. Davor unterrichtete der Philologe 17 Jahre am Königlichen Realgymnasium in Döbeln.
In den letzten Wochen konnten wieder interessante Fotos und Dokumente erworben werden. Darunter ist zum Beispiel eine „Kneipzeitung“ aus dem Jahr 1909, in der auf humorvolle Weise der Schulalltag der damaligen Zeit bespiegelt wird. Hier finden sich scherzhafte Selbstbeschreibungen der Schülerschaft, aber auch die Lehrer bekommen „ihr Fett“ weg. Die "Kneipzeitung", heute würde man sie als Abizeitung bezeichnen, entstand scheinbar in der Muluskneipe der jungen Herren, die sie verfassten. Als Mulus bezeichnete man früher Absolventen, die die Schule schon abgeschlossen hatten, aber noch nicht an einer Universität immatrikuliert waren. Maultiere, auch Mulis genannt (von lat. mulus), sind als Kreuzung aus Pferd und Esel ein gutes Gleichnis für die Hybridstellung der ehemaligen Schüler, die noch keine Studenten waren. Dem Alkohol wurde in dieser Übergangszeit scheinbar reichlich zugesprochen, beschreibt sich die „Kneipzeitung“ doch als „Unabhängiges Organ für fidele Zechgenossen“. Als Herausgeber wird ein gewisser „Dr. humor. Schnurz“ angegeben. Die selbstgeschriebenen Texte und die zahlreichen Zeichnungen zeigen, dass die Schüler natürlich unter dem damals strengen schulischen Reglement litten, aber auch, wie sehr die Schule und die Lehrer damals ihre Schüler prägten.
Das zweite Fundstück ist ein Programmheft für eine Feier zur hundertjährigen Wiederkehr von Schillers Todestag, die von Schülern des Königlichen Realgymnasiums mit Höherer Landwirtschaftsschule am 24. Mai 1905 im Döbelner Stadttheater gestaltet wurde. Das Programm bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil kamen Musikstücke von Brahms und Haydn zur Aufführung, Schillers „Der Taucher“ und die Ode „An die Freude“ wurden vorgetragen. Im zweiten Teil führte man Schillers Historiendrama „Wallensteins Lager“ auf. Deutlich wird an dieser ambitionierten Veranstaltung, dass die klassische deutsche Literatur am Anfang des 20. Jahrhunderts in der gymnasialen Bildung einen herausragenden Stellenwert einnahm. In der deutschen Literatur sah man einen wesentlichen Teil der Weltliteratur. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Geist, den die nächsten Fundstücke erahnen lassen.
Es sind zwei Ausweis für Jahresmitgliedschaften im Deutschen Flottenverein, Ortsgruppe Döbeln für den Realgymnasiasten Rudolf Schönfeld aus den Jahren 1906 und 1908. Obwohl die sächsische Provinz weit von den Weltmeeren entfernt ist, schaffte es die Begeisterung für die kaiserliche Idee, mit einer großen deutschen Kriegsflotte aufzutrumpfen, doch bis nach Döbeln. Wenn „am deutschen Wesen die Welt genesen soll“, brauchte man eine Flotte, wer Kolonien erwerben will, braucht eine Flotte, wer mit England hinhalten will, braucht eine Flotte. Diese imperialen Träume sollten Deutschland einen „Platz an der Sonne“ sichern und erfreuten sich großer Beliebtheit in der deutschen Bevölkerung. Die Mitgliedschaft unseres ehemaligen Schülers Rudolf Schönfeld im Deutschen Flottenverein zeugt davon.
Die letzte kleine Kostbarkeit ist ein Foto aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts, aufgenommen auf dem Sportplatz der Schule. Es zeigt Turner bei einer Schauvorführung mutmaßlich bei einem Heimatfest. Bei diesen war es üblich, dass an unterschiedlichen Orten Döbelns Veranstaltungen stattfanden. Auf dem Foto sieht man links die alte Turnhalle der Schule. Sie wurde 1872 errichtet und 1993 abgerissen. Östlich von ihr war der Sportplatz der Schule, der bis an die Oststraße reichte. Im Hintergrund des Fotos sieht man die Häuser der Thielestraße.
Turnen war zu dieser Zeit ein Volkssport und erfreute sich großer Beliebtheit. In Döbeln gab es den Arbeiterturnverein, den Allgemeinen Turnverein Döbeln, den Döbelner Turnbund, den Turnverein „Jahn“ und eine Ortsgruppe des Mulden-Zschopauthaler Turngaus. Auch im Athleten-Verein „Eiche“ turnte man. Verkürzt könnte man sagen, dass früher das Turnen den Stellenwert hatte, den heute der Fußball einnimmt. Wer etwas auf sich hielt, interessierte sich fürs Turnen oder turnte selbst.
Auch an unserer Schule schrieb man Turnen und Sport insgesamt groß. 1919 gründet man einen Turnverein und 1920 einen Verein für Leibesübungen. Turn-, Spiel- und Sportfeste waren Höhepunkte im Schuljahr und wurden teilweise auf dem Schulhof durchgeführt. Sie endeten meist mit einem Marsch der sportbegeisterten Schüler durch die Stadt.
Die vier kleinen Fundstücke zeigen, dass die Geschichte der Schule auch ein Spiegel der nationalen Geschichte ist. Sie zeigen auch, dass einige Traditionen, die wir heute noch pflegen, schon in den Anfangsjahren der Schule eine wichtige Rolle spielten. Traditionen sind wichtig. Sie geben uns Halt. In Zeiten wie den unseren ist das wichtig.
M. Höhme