02.06. Mein Auslandsjahr in Amerika
Zwischen Highschool, Lacrosse und vier Hunden
Vor einem Jahr habe ich meinen Koffer gepackt, voller Vorfreude, Neugier und einem kleinen bisschen Nervosität. Ich hatte keine Ahnung, was mich wirklich erwartet – nur die Hoffnung, dass dieses Abenteuer etwas Besonderes wird. Heute schaue ich zurück auf elf Monate voller neuer Erfahrungen, fremder Traditionen und unvergesslicher Begegnungen. Aus einem fremden Land wurde ein zweites Zuhause, aus Unsicherheit wurde Selbstvertrauen.
Ein ganz besonderer Teil dieses Jahres war meine Zeit an der Colgan High School in Virginia. Schon am ersten Tag war ich beeindruckt von dem modernen Gebäude, der riesigen Aula, den hellen Fluren mit unendlich vielen Spinden – alles wirkte wie aus einem Film. Und genauso fühlte es sich auch an, ein bisschen wie Highschool in einer Serie, nur dass ich plötzlich selbst mittendrin war. Was mir sofort auffiel, war der starke Schulgeist. Überall sah man Schüler und Lehrer in Colgan-Kleidung, mit Logos und Farben der Schule. Besonders die Spirit Weeks waren unglaublich cool. Eine ganze Woche, in der sich alle an verrückten Motto-Tagen verkleiden, wie „Pyjama Day“ oder „Twin Day“. Die Stimmung war einfach ausgelassen, und man spürte diesen Zusammenhalt, der die ganze Schule verbindet. Auch die Events wie Homecoming oder Prom waren total aufregend. Meine Freundinnen und ich haben den ganzen Tag miteinander verbracht, uns zusammen fertig gemacht, Fotos geschossen und lecker zu Abend gegessen, bevor es zum Tanz ging. Die Schule war festlich geschmückt und alle haben miteinander getanzt und einfach Spaß gehabt. Auch der Unterricht an Colgan war anders, als ich es gewohnt war. Ich konnte Fächer wählen, die ich zuhause nie gehabt hätte, zum Beispiel Fotografie, Theater oder Kindererziehung. In meiner Highschool musste man sieben Fächer wählen. Ich wählte US/Virginia Geschichte, Kunst, Algebra, Biologie, Englisch, Kindererziehung und Soziologie. Die Lehrer waren sehr engagiert und locker. Sie machten den Unterricht oft spannend und kreativ. Es gab viele Projekte und Gruppenarbeiten, bei denen man richtig mitmachen und neue Personen kennenlernen konnte. Ein Moment, der mich besonders fasziniert hat, war der tägliche Pledge of Allegiance zu Beginn des Schultages. Alle Schüler stehen auf, legen die Hand aufs Herz und sprechen gemeinsam das Gelöbnis auf die Flagge. Für mich war das anfangs ungewohnt – aus Deutschland kannte ich so etwas nicht. Doch mit der Zeit habe ich verstanden, wie viel Bedeutung dieses Ritual für viele Schüler hat. Es war ein Moment der Gemeinschaft, des Stolzes – und manchmal auch der Nachdenklichkeit über den Umgang mit Nationalstolz in verschiedenen Ländern.
Ein besonderes Highlight meines Auslandsjahres war, dass ich Teil des Lacrosse-Teams wurde. Anfangs war ich etwas nervös, da ich die Sportart vorher kaum kannte. Doch mit der Unterstützung meines Teams und meiner Coaches habe ich schnell dazugelernt und war sogar Spieler der Startaufstellung. Lacrosse hat mir nicht nur geholfen, fit zu bleiben, sondern auch meinen Teamgeist und mein Selbstvertrauen gestärkt. Die Spiele waren spannend, manchmal herausfordernd, da wir auch im strömenden Regen spielen mussten, aber der Zusammenhalt im Team war einfach unglaublich.
Ein wichtiger Teil meines Auslandsjahres war natürlich auch das Leben in einer amerikanischen Gastfamilie. Meine Gastfamilie bestand aus der Mutter, dem Vater, einem vierjährigen Jungen und vier Hunden! Anfangs war das natürlich eine große Umstellung, aber mit der Zeit wurde dieses kunterbunte Miteinander zu meinem zweiten Zuhause. Besonders die Beziehung zu meinem kleinen Gastbruder hat mir gezeigt, wie schnell man eine enge Verbindung zu Menschen aufbauen kann, auch wenn man sich vorher völlig fremd war. Ich durfte sehr viele Feiertagstraditionen kennenlernen und habe einen richtigen Einblick in das amerikanische Familienleben bekommen. Ein besonders spannender Teil waren die vielen kleinen und großen kulturellen Unterschiede, die mir im Alltag begegnet sind. Schon beim ersten Familienessen merkte ich, dass man in den USA deutlich früher zu Abend isst als in Deutschland, oft schon gegen 17 Uhr, während ich es gewohnt war, erst viel später zu essen. Auch die Offenheit der Menschen fiel mir sofort auf: Egal ob im Supermarkt, in der Schule oder auf der Straße. Überall wird man freundlich gegrüßt und in Gespräche verwickelt, auch wenn man sich gar nicht kennt. Diese lockere Art hat mir geholfen, mich schneller wohlzufühlen. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, dass echte Freundschaften Zeit brauchen, obwohl die Menschen auf den ersten Blick sehr offen wirken. Besonders beeindruckt haben mich die großen Feste wie Thanksgiving und Halloween, die mit so viel Liebe zum Detail gefeiert werden, von geschmückten Häusern bis zu riesigen Familienessen. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie verschieden Kulturen sein können und wie schön es ist, sich auf Neues einzulassen.
Neben dem Schulalltag hatte ich die unglaubliche Möglichkeit, viele Orte in den USA zu entdecken. Jeder Trip hat mir gezeigt, wie unterschiedlich Landschaften, Menschen und Kulturen innerhalb eines Landes sein können. Ein absoluter Traum war meine Reise nach Hawaii, die ich gemeinsam mit meiner Austauschorganisation und anderen Austauschschülern gemacht habe. Meine Gastfamilie ermöglichte mir auch New York City zur Weihnachtszeit mit seiner einzigartigen Atmosphäre zu erleben und die schneebedeckten Berge in Colorado zu bestaunen. Zusätzlich durfte ich die Bahamas besuchen, wo ich einige entspannte Tage an den Stränden verbrachte. Diese Reisen haben mein Auslandsjahr vielseitig und unvergesslich gemacht.
Das Auslandsjahr hat mir viel mehr beigebracht als nur eine Sprache. Ich habe gelernt, selbstständiger zu sein, Verantwortung zu übernehmen und mich in neuen Situationen zurechtzufinden. Ich habe gelernt, Unterschiede nicht nur zu akzeptieren, sondern zu schätzen – sei es in der Kultur, der Schule oder im Alltag. Vieles, was ich in Deutschland als selbstverständlich gesehen habe, habe ich hier mit neuen Augen erlebt. Es war nicht immer leicht, und ich hatte auch Momente, in denen ich mich fremd gefühlt habe. Aber genau diese Herausforderungen haben mich stärker gemacht. Ich habe Freundschaften geschlossen, die über Ländergrenzen hinweg bestehen bleiben, und Erinnerungen gesammelt, die mich ein Leben lang begleiten werden. Ich bin unglaublich dankbar für diese prägende Zeit, die ich erleben durfte.
Gloria Hannuschka